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Branche

Vcademy: Innovative Technologien für neue Lernprozesse

Mit der Vcademy in Richtung Future Education

Das Erich-Gutenberg-Berufskolleg (EGB) stellte am 30. November 2019 auf dem Digital Education Day 2019 in Köln erstmalig das Projekt „Vcademy“ (The virtual academy) vor, das in Kooperation mit dem Kölner Unternehmen World of VR GmbH, dem Digital Hub Cologne und der Professur für Wirtschaftspädagogik der Universität zu Köln durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt des Projekts standen die Schülerinnen und Schüler, die im Sommer 2018 als erste Auszubildende in den neuen Ausbildungsberuf Kaufleute im E-Commerce gestartet sind. Konkret umfasst das 51 Lernende, die am EGB in zwei Klassen (AKET0118 und AKET0218) unterrichtet werden und zum Schuljahr 2020/21 in ihr drittes Ausbildungsjahr starten.

Ausgangslage oder: Worum geht es?

Leute mit VR-Brillen Die Idee für das Projekt entstand im Oktober 2019 im Rahmen eines Arbeitsmeetings des E-Commerce-Bildungsgangs des EGB mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Professur für Wirtschaftspädagogik der Universität zu Köln. Im Zentrum der gemeinsamen Überlegungen und Planungen stand die didaktische und methodische Gestaltung des Einstiegs in das Lernfeld 6 „Servicekommunikation kundenorientiert gestalten“. Dabei spielten insbesondere Fragestellungen eine Rolle, wie der Einstieg für Schülerinnen und Schüler motivierend konzipiert werden kann, wie sich darüber Informationen über das Vorwissen und die Vorerfahrungen der Lernenden mit Blick auf die Gegenstände des Lernfeldes sammeln lassen und wie schließlich auf dieser Basis der Unterricht im Lernfeld 6 weiterhin gestaltet werden sollte.

Dort lernen die Auszubildenden, in unterschiedlichen Situationen mit Kunden situationsgerecht und kundenorientiert anhand verschiedener Kanäle zu kommunizieren. Die leitenden Fragestellungen waren vor allem deshalb relevant, weil sich zum Zeitpunkt des Projekts die Schülerinnen und Schüler im zweiten Ausbildungsjahr befanden und davon auszugehen war, dass diese bereits über umfangreiche Erfahrungen im betrieblichen Alltag ihrer Unternehmen zum Thema Kommunikation im Allgemeinen, aber auch im Bereich Servicekommunikation im Besonderen verfügen.

Didaktische Bezugspunkte – was erhoffen wir uns vom Projekt?

Im Sinne einer subjekt-, problem- und prozessorientierten Gestaltung von Lernprozessen (Landwehr 2001) sollten die Lernenden mit ihren individuellen Vorerfahrungen und ihrem Vorwissen der zentrale Ausgangs- und Bezugspunkt sein. Dies galt sowohl für die Repräsentation der Inhalte innerhalb des Lernfelds 6 als auch für die konkrete Planung und Gestaltung des weiteren Unterrichts nach der Projektdurchführung. Es ermöglicht stärker personalisierte Lehrprozesse und Lernwege für die Schülerinnen und Schüler und setzt zentral beim Gedanken der individuellen Förderung an, bei der verstärkt die Individuen mit ihren spezifischen Voraussetzungen in den Blick genommen werden. Das Projekt verlangte überdies, das besondere Potenzial digitaler Technologien in diesem Kontext zu ergründen, und zwar dahingehend, ob über den Einsatz digitaler Technologien bestimmte Erkenntnisse über die Vorerfahrungen und das Vorwissen der Lernenden generiert werden können.

Dazu war das Projekt folgendermaßen angelegt: Die Schülerinnen und Schüler sollten sich zunächst ihnen bekannte – im Idealfall selbst erlebte – herausfordernde und problembehaftete Servicekommunikationssituationen aus ihrer beruflichen Praxis bewusst machen und diese mithilfe des digitalen Equipments aufbereiten. Im Einzelnen ging es darum, dass die Auszubildenden berufliche Kommunikationssituationen im Servicekontext skizzieren, diese in ein „Drehbuch“ überführen und anschließend szenisch darstellen. Die inszenierten Kommunikationssituationen wurden von den Lernenden mit 360-Grad-Kameras gefilmt und das daraus entstandene Material für Schulungssituationen mit VR-Brille aufbereitet. Dafür brachte das Kölner Unternehmen World of VR das notwendige technische Know-how ein und stellte seine Lernplattform Vcademy zur Verfügung. Der Digital Hub Cologne als neutraler Partner und Vernetzer leistete durch Personal und das technische Equipment wertvolle Unterstützung.

Bild von 360-Grad-Kameras

Nutzung von Augmented- und Virtual-Reality zur Kompetenzsteigerung

Dem Einsatz von 360-Grad-Kameras und VR-Brillen kamen im Rahmen des Projektes gleich zwei Funktionen für die Kompetenzentwicklung der Lernenden zu: Einerseits fand mit den digitalen Technologien die Gestaltung des Lernprozesses statt, hier ganz zentral das Aktivieren der Vorerfahrungen und des Vorwissens. Andererseits wurden diese Medien selbst zum Lerninhalt. Durch das eigenständige Erstellen von 360-Grad-Videos erlernten die Auszubildenden den Umgang mit innovativen, digitalen Möglichkeiten. Hierin besteht eine hohe Relevanz für die betriebliche Praxis, denn schon heute setzt der Online-Handel vielfach auf AR- oder VR-Erlebnisse.

So können Kunden beispielsweise dank AR Kleidungsstücke schon vor dem Kauf digital anprobieren oder Möbelstücke in den eigenen vier Wänden begutachten. VR verschafft den Kunden hingegen einzigartige Einkaufserlebnisse. Sie betrachten die Produkte in einem virtuellen Laden und lassen sich dabei von einem Avatar beraten. Solche Entwicklungen bergen enormes Potenzial für die Zukunft des E-Commerce. Auch im Curriculum der Kaufleute für E-Commerce wird dieser Aspekt aufgegriffen und in den Zielformulierungen betont, dass die Schülerinnen und Schüler „sowohl klassische als auch digitale Kanäle [berücksichtigen] und […] innovative Entwicklungen im Blick“ behalten sollen (KMK 2018, S. 15). Folglich dienen die digitalen Technologien in dem Projektkontext als Lern- und auch als Arbeitsinstrument.

Parallel dazu wurde das Lernprojekt seitens der Professur für Wirtschaftspädagogik der Universität zu Köln im Rahmen einer Bachelorarbeit prozessbegleitend dokumentiert und evaluiert. Dabei sollten sowohl motivationale, volitionale und kognitive Aspekte aus Sicht der Auszubildenden erfasst werden.

Lernmaterialentwicklung am EGB

Raum voller Auszubildender

Am ersten Projekttag (12. November 2019) erkundeten die Auszubildenden zunächst neugierig die Vorteile von 360-Grad-Lernumgebungen. Danach durften sie selbst aktiv werden: Sie erstellten eigene Filmideen und schrieben Storyboards zu ihren Einfällen. Die Geschichten behandelten beispielsweise das richtige Verhalten von Verkäuferinnen und Verkäufern bei einer Reklamation. An allen Vorbereitungen für die 360-Grad-Filmproduktion waren die Lernenden direkt beteiligt. Die technische Einführung in den Umgang mit den digitalen Medien erfolgte durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von World of VR sowie vom Digital Hub Cologne.

 

Printscreen von Digital Tool

Am zweiten Projekttag (13. November 2019) ließen die Schülerinnen und Schüler ihrer Kreativität freien Lauf und drehten Filme dank der neuen digitalen Tools. Jeder Gruppe wurde dafür ein eigener Raum zur Verfügung gestellt, um ungestört mithilfe der 360-Grad-Kamera ihre Videos nach zuvor verfassten Storyboards zu produzieren. Für die Dokumentation erstellten die Arbeitsgruppen anschließend Dateien, welche in die VR-Plattform Vcademy integriert wurden. Dadurch hatten zum Schluss alle Lernenden eine schöne Zusammenstellung aus Präsentationen, PDFs und 360-Grad-Filmen in der Vcademy.

 

 

Bild von Oculus

 

Bild von 360-Kamera

 

Der mediale Schwerpunkt des Projektes lag im Bereich AR und VR. Acht Oculus Go-Brillen sowie acht 360-Grad-Kameras waren dabei im Einsatz.

Präsentation am Digital Education Day 2019

In Vorbereitung auf den Digital Education Day 2019 in Köln produzierte World of VR mit dem Digital Hub Cologne und dem EGB 360-Grad-Videomaterial im Bereich Servicekommunikation. Die fertigen Kurzfilme konnten sich die Gäste des Digital Education Day 2019 in der Vcademy anschauen.

Was haben wir daraus gelernt? – Evaluation des Projektes

Zu Beginn herrschte bei den Schülerinnen und Schülern noch eine gewisse Unsicherheit über das Ziel des Projektes. Trotzdem gab es eine hohe Erwartungshaltung ihrerseits. Vorkenntnisse aus dem Lernfeld 6 waren bei allen Lernenden bereits vorhanden. Es stellte sich als sehr beeindruckend heraus, wie die Schülerinnen und Schüler in kürzester Zeit Inhalte für eine Lernplattform selbst erstellen konnten. Da alle Teilnehmenden ihre Ausbildung in einem Unternehmen absolvieren, ist die Beschäftigung mit dem Thema VR/AR von hoher Bedeutung: Wo sehen die Auszubildenden noch Potenzial bei der Anwendung von virtuellen Lerninhalten? In welchen Branchen und Unternehmen kann VR überhaupt Fuß fassen und ist die Zielgruppe empfänglich für diese Form von Inhalten? Die Ergebnisse dieses Projektes haben uns bewogen, auch das Lernfeld 2 „Produktpräsentation“ entsprechend als Vcademy-Projekt umzusetzen und im Lehrplan zu verankern.

Zukünftige Vorhaben am EGB

Die im Bereich der Digitalisierung für die Schule sicherlich größte Herausforderung ist das äußerst anspruchsvolle und schulische Ressourcen fressende Generieren von digitalisierten Lernarrangements mit echtem Benefit – insbesondere unter dem Anspruch, lernförderlich mit Heterogenität und Diversität umzugehen. Allein das Bereitstellen von Materialien für ein sinnvolles eigenverantwortliches und selbstorganisiertes Arbeiten, um sich zeitweise intensiver einzelnen Kleingruppen zuzuwenden, verlangt Lehrkräften deutlich mehr Vorbereitung ab. Zugleich werden wir als Schule im kaufmännischen Bereich voraussichtlich weiterhin damit konfrontiert bleiben, dass solche aufwendigen Lernveranstaltungen für Schulbuchverlage finanziell wenig attraktiv sind und auch von schulpolitischer Seite hier kaum echter Support erwartet werden kann. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, „machen“ wir Schule so, wie wir sie machen: visionär und zukunftsträchtig – dabei immer eng am Menschen und an der Realität orientiert, auch an der Realität von morgen.

Wie sehen zukünftige Lernplattformen aus?

Künftige Lernplattformen werden womöglich über Sprach- oder Gestensteuerung mittels VR- oder AR-Brillen bedient, Schnittstellen zu Big Data-Portalen oder dem Internet enthalten und alle verfügbaren Medien integrieren können. Analoge und auch digitale Schulbücher sind zu statisch in ihrer Gestaltung und kommen nicht mehr zum Einsatz. Die Lernplattformen werden daher aufgrund ihrer Ports und dahinterliegender KI immer flexibler individuelle Lernmedien zur Verfügung stellen.

In Zusammenarbeit mit Microsoft und dem Europa-Verlag verfolgen wir im E-Commerce-Bildungsgang die Konzeptidee, mit Teams eine Template-Infrastruktur zu gestalten, die dann von jeder Schule sofort implementiert und eingesetzt werden kann. Inhaltlich soll die Infrastruktur aus einer beliebigen Anzahl von Lernsituationen bestehen, die auf unterschiedliche Medien im Internet oder in Verlagen verweist. Noch interessanter wäre die Verknüpfung dieses Konzeptes mit der Vcademy – eine VR-/AR-Anbindung in Microsoft Teams wäre ein Schritt in solch eine zukünftige Lernplattform. Gespräche dazu haben wir bereits mit allen Beteiligten begonnen!

 

Co-Autoren:

Erich-Gutenberg-Berufskolleg KölnLogo von Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln

Kai Seifert (Bildungsgangleiter E-Commerce)

 

Logo von Institut für Berufs-, Wirtschafts- und Sozialpädagogik Universität zu Köln

Institut für Berufs-, Wirtschafts- und Sozialpädagogik Universität zu Köln

 

Prof. Dr. Nicole Naeve-Stoß
Jana Hütten

 

Logo von World of VR GmbH

World of VR GmbH

Jens Epe (Technischer Geschäftsführer (CTO))

 


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