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Branche

Nachhaltigkeitspotenziale bei Immobilien: So können Versicherer neue Marktchancen erkennen – und nutzen

Ein Interview mit Manuel Holzhauer, Insurance Industry Executive bei Microsoft Deutschland

Das Versicherungsgeschäft ist um eine große Dimension komplexer geworden: Immer mehr Anbieter verankern Nachhaltigkeitskriterien und -ziele in ihrer Strategie. Aktuell im Fokus: Umweltaspekte und eine Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. Insbesondere bei Immobilien spielt dies eine große Rolle – entfallen doch rund 40 Prozent der energiebedingten Kohlendioxidemissionen auf Gebäude, die für 30 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich sind.
Im Interview sprechen wir mit Manuel Holzhauer, Insurance Industry Executive bei Microsoft Deutschland, über neue Konzepte für Versicherer – sowie typische Hürden und Chancen.

 

Manuel Holzhauer, Insurance Industry Executive bei Microsoft DeutschlandManuel Holzhauer, Insurance Industry Executive bei Microsoft Deutschland Manuel, für die Assekuranz bringt der Klimawandel vielschichtige Herausforderungen mit sich. Wo liegen aus deiner Sicht jetzt wichtige Handlungsfelder, um im Zusammenhang mit Gebäuden eine Reduktion des CO2-Ausstoßes zu erzielen?

 

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf Immobilien mehrere Dimensionen hat: Hier können Immobilienbestände als Kapitalanlage gemeint sein ebenso wie der Geschäftsbetrieb in unternehmenseigenen Immobilien – und natürlich auch Gebäudeversicherungen und weitere Services, die für Kunden angeboten werden. Fakt ist, dass sich die Folgen des Klimawandels auf sämtlichen Ebenen bemerkbar machen und somit sowohl in regulatorischer als auch physischer Hinsicht betrachtet werden müssen. Uns allen ist noch gut die Flutkatastrophe in Deutschland aus dem vergangenen Jahr in Erinnerung – und das ist ja kein Einzelfall. Die globalen Schäden infolge von Naturkatastrophen beziffert Munich Re auf 280 Milliarden US-Dollar, und davon waren übrigens weniger als die Hälfte versichert.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat das Ziel der Klimaneutralität bei den Geschäftsprozessen der deutschen Versicherer bis 2025 und bei ihren Kapitalanlagen bis 2050 ausgerufen. Was bedeutet das jetzt für die einzelnen Versicherungen?

Immobilienkapitalanlagen sind gut geeignet, um sich möglichen Strategien und Maßnahmen zur Bewertung und Minimierung von Klimarisiken zu nähern. Sie unterliegen physischen und transitorischen Risiken, und aus beiden Blickwinkeln ist die Reduktion des CO2-Ausstoßes wesentlich. Außerdem haben sich viele Versicherer zur nachhaltigen Kapitalanlage bekannt und teilweise der UN Net-Zero Asset Owner Alliance bzw. der UN Net-Zero Insurance Alliance verschrieben.

Unsere Branche, die wie kaum eine andere auf das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden angewiesen ist, muss also liefern. Kein Anbieter kann es sich leisten, in den Verdacht zu geraten, seiner Verantwortung und seinem Bekenntnis nicht nachzukommen – oder schlimmer noch: Greenwashing zu betreiben. Denn mit einem Bienenstock auf dem Gebäude oder dem Pflanzen junger Bäume ist es längst nicht mehr getan. Die ergriffenen Maßnahmen müssen weitaus mehr leisten und vor allem: Ihr Erfolg muss belegbar sein. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass diejenigen Versicherungsunternehmen, die es schaffen, ihre Prozesse und Kapitalanlagen schneller neu auszurichten als der Gesamtverband es ausgerufen hat, sich einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten werden.

Das klingt nach einer gewaltigen Aufgabe. Auf welche Weise lässt sich diese denn konkret angehen?

Nun, um wirklich zielführende Maßnahmen zu planen und umzusetzen, braucht man zunächst einmal Wissen. Und dieses muss auf verlässlichen Daten basieren: Welche Emissionen entstehen durch die Kapitalanlageobjekte oder auch durch die von den Unternehmen oder Privatpersonen genutzten Gebäude? Woher stammen die Daten, bilden sie die Realität oder gar künftige Risiken adäquat ab? Was lässt sich aus den Daten ableiten – nicht nur mit Blick auf das Management von Immobilienportfolios, sondern etwa auch auf den Zuschnitt von Versicherungsprodukten?

Kurzum: Die Datenbasis muss stimmen, um Risiken korrekt zu bewerten, zu steuern oder zu versichern und um unternehmerische Entscheidungen valide begründen zu können. Allerdings stehen viele Versicherer schon bei der Datenerhebung vor einigen Hürden: Standort- und Anlageportfolios sind ebenso wie die versicherten Werte regional diversifiziert, Ländereinheiten und Abteilungen arbeiten mit verschiedenen Systemen, die nicht kompatibel sind, und die Daten stammen mitunter aus unterschiedlichen Quellen und sind daher nicht unmittelbar vergleichbar.

Und der Ausweg aus diesem Dilemma?

Um eine holistische Sicht auf beispielsweise Immobilien und die damit zusammenhängenden Verträge und Maßnahmen zu erhalten, bedarf es einer Datenplattform, die alle Informationen auf sichere Weise zusammenführt. Für das einzelne Gebäude lässt sich dies am besten anhand eines virtuellen Abbilds realisieren, mit einem sogenannten digitalen Gebäudezwilling. Dieser enthält alle Informationen, angefangen bei der Lage – was in Kombination mit weiteren Analysen und Quellen Rückschlüsse auf physische Klimarisiken erlaubt – bis hin zum Energieverbrauch und damit verbundenen Emissionen. Auch im engeren Sinne versicherungsrelevante Details lassen sich darin abbilden, etwa die technische Gebäudeinfrastruktur wie Rauchmelder, Sprinkler- oder Solaranlagen. Mehrere solcher digitalen Zwillinge ergeben die Portfoliosicht.

Sind die Daten auf der Plattform zusammengeführt und harmonisiert, beginnt die eigentliche Arbeit: Szenarien müssen entwickelt und geeignete Maßnahmen abgeleitet werden, die das Portfolio sowohl dem erklärten Dekarbonisierungsziel koordiniert näherbringen als auch Anforderungen der Wirtschaftlichkeit genügen – Stichwort Stranded Assets.

Was ist damit gemeint – und warum betrifft das gerade die Versicherungsunternehmen?

Die notwendige Dekarbonisierung des eigenen Anlageportfolios ist eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Geschäftsentwicklung und spitzt sich in einer Frage zu: Wann wird ein Gebäude zum Stranded Asset – also eine Ressource, die die regulatorischen Anforderungen oder schlichtweg die Erwartungen des Immobilienmarktes nicht mehr erfüllt? Aus diesem Instrumentarium und Wissen können und müssen Versicherungen den Bogen zu ihrem Produktportfolio spannen, denn in diesem Zusammenhang stellt sich ganz klar die Frage, ob sich der Stranding-Moment versichern lässt oder nicht.

Daraus resultiert auch: Die Macht der Versicherer ist enorm. Und das bringt zugleich eine große Verantwortung mit sich. Unternehmen sind auf Versicherungsschutz angewiesen, und Immobilien spielen nicht nur als zumeist fester Bestandteil von unternehmerischen Aktivitäten eine wichtige Rolle, sondern auch im Kampf gegen den Klimawandel.

Wie sieht denn deiner Meinung nach eine gute Umsetzung aus, mit der Versicherungen sich dieses Potenzial zunutze machen können?

Die Digitalisierung ist der Schlüssel – übrigens weit über das Thema Nachhaltigkeit hinaus. Ihr Einfluss könnte die gesamte Wertschöpfungskette der Assekuranz verändern beziehungsweise optimieren. Wer das im eigenen Portfolio und auf Produktebene verkennt oder zu spät aktiv wird, riskiert Reputationsschäden. Schließlich stellt nicht nur der Gesetzgeber hohe Anforderungen, sondern es legen auch Kund*innen und Arbeitnehmer*innen immer höhere Maßstäbe bei der Wahl von Dienstleistern bzw. Unternehmen an: Sie achten auf effiziente, digitale Prozesse und Nachhaltigkeit. Für die innovationsstarken First-Mover ergeben sich sogar neue Märkte.

Manuel, wir danken dir für das Gespräch!

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